Laser in der Zahmedizin: Mit Licht gegen Karies | STERN.de

2022-12-08 11:33:26 By : Mr. zhao li ming

Die Ohren registrieren als Erstes, dass in Martin Jörgens' Zahnarztpraxis etwas anders ist. Denn das durchdringende Surren des Bohrers, das andernorts oft bis ins Wartezimmer zu hören ist, vernimmt man bei ihm nur selten: Der Düsseldorfer Zahnmediziner behandelt seine Patienten mit dem Laser, wann immer es "möglich und vor allem sinnvoll" ist. Zum Beispiel bei Kathrin S. Die 33-Jährige hat ein kleines Loch in einem Backenzahn, ein etwas größeres im Nachbarzahn. Martin Jörgens nimmt den Laserkopf aus der Halterung, zuvor hat er seiner Patientin eine örtliche Betäubung gespritzt und sie mit einer dunkel getönten Spezialbrille ausgestattet. "Der Laser arbeitet mit stark gebündeltem, sehr energiereichem Licht", sagt Jörgens, "das kann die Netzhaut schädigen." Dann greift der 43-Jährige zum sogenannten Erbium-Yag-Laser: Er strahlt Licht in einer Wellenlänge ab, die vom Wasseranteil im Zahn aufgenommen wird. Durch den Energieimpuls dehnt sich das Wasser aus, es kommt zu Mikroexplosionen, die winzige Mengen Zahnsubstanz mitreißen.

Leiser als Bohren ist Lasern nicht. Im Gegenteil, die kleinen Explosionen knattern so laut, dass man fast glauben könnte, in Martin Jörgens' Behandlungszimmer stünde ein Maschinengewehr. Dank Schallschutz in den Ohren bekommt Kathrin S. davon kaum etwas mit, und schmerzverursachende Schwingungen wie beim Bohrer entstehen gar nicht erst: "Da die Karies verdampft wird, ohne dass man den Zahn berührt, treten kaum Vibrationen auf", erläutert Jörgens. Aus einem weiteren Grund verursacht Lasern deutlich weniger Schmerzen: Die Geräte arbeiten nicht kontinuierlich, sondern gepulst, das heißt, sie blinken bis zu zehntausendmal pro Sekunde. Damit strahlen sie zu kurz, als dass der Zahnnerv sie registrieren und dem Körper "Schmerz" melden könnte.

Die Deutsche Gesellschaft für Laserzahnheilkunde e.V. nennt auf Anfrage Adressen von Spezialisten. Kontakt: Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Laserzahnheilkunde e.V., Universitätsklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen, Tel.: 0241/808 81 64, speck@dgl-online.de, www.dgl-online.de

Weil die Behandlung dennoch nicht immer vollkommen schmerzfrei ist und das Füllen des Lochs wehtun kann, gibt Martin Jörgens seinen Patienten dennoch eine lokale Betäubung. Trotz aller Vorzüge können selbst modernste Laser den Bohrer nicht ganz ersetzen, erkennt Jörgens: "Bei starker Karies muss man nach wie vor mit dem Bohrer ran."

Auch bei der Wurzelkanalbehandlung führt an mechanischer Arbeit kein Weg vorbei: Wenn Keime in die Zahnhöhle eingedrungen sind und die Entzündung über das Zahnmark auf die Wurzel übergreift, muss der Zahnarzt die Wurzelkanäle mit winzigen Handfeilen oder rotierenden Spezialinstrumenten erweitern. Bevor er den entzündeten Kanal mit einer Füllung verschließt, müssen die Keime darin vernichtet werden, sonst würde die Infektion nicht abheilen.

Traditionell spült der Zahnarzt das Loch mit desinfizierenden Lösungen. Der Dresdner Zahnmediziner Thomas Pilling benutzt lieber den Strahl eines Diodenlasers: "Untersuchungen zeigen, dass sich so fast 100 Prozent der Keime abtöten lassen", erläutert Pilling. Mit Diodenlasern lässt sich auch die bei Erwachsenen häufigste Ursache für den Verlust von Zähnen angehen - die Parodontitis. Ausgangspunkt sind wie bei der Karies bakterielle Zahnbeläge, die sich, wenn sie nicht regelmäßig entfernt werden, am Zahnfleischrand zu Zahnstein verfestigen. Der Zahnfleischsaum entzündet sich, löst sich vom Zahn und zieht sich zurück. Zahnfleischtaschen entstehen, in denen sich weitere Keime ansiedeln und immer mehr Zahnstein entsteht. Die körpereigene Abwehr versucht die Bakterien mit einer Entzündung zu bekämpfen. Dabei schwinden auch Haltefasern und Kieferknochen. Der Zahn beginnt zu wackeln.

Der sehr harte Zahnstein in den Zahnfleischtaschen lässt sich mit dem Laser nicht beseitigen, "auch wenn es immer wieder behauptet wird", sagt Thomas Pilling. "Neutrale Untersuchungen beweisen, dass eine vollständige Entfernung mit dem Laser allein unmöglich ist." Das effektivste Mittel dafür ist noch immer die Kürette, eine Art Schaber, mit dem der Zahnstein restlos abgekratzt wird. Erst wenn das geschehen ist, wird der gebündelte Lichtstrahl verwendet, um die verbliebenen Parodontitiskeime abzutöten und die Entzündung zu unterdrücken.

Die nicht einmal einen Viertelmillimeter dicke Glasfaserspitze lässt sich in die Zahnfleischtasche vorschieben, ohne das empfindliche Zahnfleisch zu schädigen. "Bei korrekter Anwendung hinterlässt die Laserbehandlung eine nahezu sterile Tasche", sagt Pilling. Sein Berufskollege Jörgens nennt noch einen weiteren Pluspunkt. "Wie Studien zeigen, erreicht man eine langfristige Änderung der Bakterienflora, die gefährlichen Keimgruppen werden dauerhaft reduziert", betont er. "In diesem Sinne ist die Lasertherapie auch ein Schutz vor neuer Parodontitis."

Gesetzlich Versicherte müssen die Mehrkosten des Lasereinsatzes selbst übernehmen, für die Behandlung eines kariösen Zahns fallen zwischen 50 und 250 Euro Zuzahlung an. Die Laserdesinfektion eines Wurzelkanals kostet den Kassenpatienten 80 bis 150 Euro. Privatpatienten sollten sich vor einer Behandlung bei ihrer Versicherung erkundigen, ob und in welchem Umfang sie die höheren Behandlungskosten erstattet.

Während der Kariesbehandlung erhitzt der Laserimpuls winzige Wasseranteile in der Zahnsubstanz, das Wasser dehnt sich aus und das Areal explodiert: So lassen sich kleinere Kariesgebiete exakt "wegsprengen". Erst nach den mechanischen Instrumenten hilft der Laser bei Wurzelkanalbehandlungen: um Bakterien zu töten, bevor eine Füllung eingesetzt wird. In einigen Fällen kann der Nerv gerettet werden. Bei Parodontitis vernichtet der gepulste Lichtstrahl Bakterien in der Zahnfleischtasche, die zur Entzündung führen.

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